Ein etwas anderes Langstreckenrennen…. #no24h

Ostern 2023. Ein Mega-Event warf seine Schatten voraus. Es ging um die eigenen Grenzen, die Belastbarkeit auszutesten und einen Weltrekord einzufahren. Am Anfang stand da nur eine kurze Anfrage eines befreundeten Slotcar-Racer aus einer großen Automobilfirma. „Was hast du denn zu Ostern vor?“ Eigentlich nichts Aufregendes – ich hatte mehrere Bereitschaftsschichten vor mir. Also, erst mal eine Absage! Dann folgten die Einzelheiten. Eine Gruppe von Slotcar-Freunden aus der Nähe von Hamburg planten ein Langstreckenrennen. Oh, hah….da hörte ich schon mal näher hin. Bei diesem Rennen sollten die Teams einen 60-Stunden-Marathon fahren um dabei einen Weltrekord aufzustellen. Das ließ mich dann wieder davon Abstand nehmen….
Je mehr ich aber über das Event und die Veranstalter hörte, um so größer der Wunsch dabei zu sein. So einen Weltrekord fährt man ja auch nicht alle Tage ein. Die Slotcar-Freunde Apensen (als veranstaltende Truppe) hatten bereits vor zehn Jahren ein solches Rennen organisiert und erfolgreich durchgeführt. Leider wurde damals der Rekord nicht anerkannt, weil nicht ausreichend dokumentiert wurde. Schade !!! Diesmal sollte es anders laufen. Das war im Endeffekt der letzte Tropfen, der mich dazu brachte bei diesem Event auf jeden Fall mit von der Partie zu sein. Gesagt, getan – die Schichten getauscht und Ostern freigeschaufelt für den WELTREKORDVERSUCH in Apensen.
So begann das große Abenteuer am Gründonnerstag mit der Anreise nach Apensen bei Buxtehude / Hamburg. Im Vorfeld hatte ich auf meiner Heimbahn fleissig das Fahren ohne den Haftverstärker trainiert, natürlich im Hinblick auf längere Fahrzeiten am Stück. Das Reglement sah 6 Teams á 3 Fahrer vor. Jedes Team bekam 2 Autos (vom Veranstalter bereits vorbereitet) zugelost. Die Karosserien waren für örtliche Sponsoren in deren Design lackiert, um so die Kosten des Events nicht allzu sehr zu beanspruchen. Die Fahrzeuge waren DTM-Fahrzeuge der Marke CARRERA Digital im Maßstab 1:24. Alle insgesamt ohne Magnete, mit kugelgelagerten Achsen und Alu-Flachbettfelgen mit PU-Bereifung. Drei Mercedes AMG-C-63 DTM und drei AUDI RS5 DTM. Wir durften für das Team EISBÄR EIS APENSEN mit einem Audi an den Start gehen. Vorher wurde aber noch ein bißchen auf der Eventbahn (4spurig, keine K1) trainiert um dann später erschöpft im Feldbettlager bzw. im Bulli zur Ruhe zu kommen.
Am nächsten Morgen (Carfreitag) war für 9:00 Uhr der Start angesetzt. Zuvor wurde die Startaufstellung durch ein kurzes Qualifying ausgefahren. Aber was sollte eine vordere Startposition bei einem 60h-Rennen entscheiden?! Das Rennen war lang, verdammt lang….zweieinhalb Tage – bis Sonntagabend 21:00 Uhr.
Kurz vor dem Start sollte es aber noch Probleme geben. Die Hardware meldete 5 Minuten vor dem Startschuss vehement einen Fehler. Bis die Ursache gefunden wurde stieg bei einigen Fahrern und dem Orga-Team der Blutdruck etwas an. Zum Glück war es nur die Sonneneinstrahlung, die bei den Infrarot-Dioden auf der START/ZIEL-Geraden zu Fehlfunktionen führte. Schnell das entsprechende Fenster abgedunkelt und so stand dem planmäßigen Start doch nichts im Wege. So gingen die Teams dann dementsprechend mit viel oder weniger Adrenalin ins Renngeschehen. Zu Beginn des Rennens wurden die Rennboliden oft bei jedem Tankstopp gewechselt, um so zwei stabile Fahrzeuge zu erhalten. Das Team aus der Schweiz startete erstmals in ein Digital-Rennen mit solchen Fahrzeugen. So wurde im Verlauf gern Hilfe und Unterstützung der anderen Teams angenommen. Dies war aber auch kein Problem, denn das Rennen war ja nicht auf einen Sieg eines einzelnen Teams ausgelegt – sondern die gesamte Leistung aller Fahrer/Teams sollte uns zum Erfolg führen. Darauf wurde auch im Fahrerbriefing extra mehrmals hingewiesen. Es waren eigentlich Alle schnell unterwegs – aber auch fair und umsichtig – um beim Überholen nicht den anderen Piloten zu behindern oder gar abzuschiessen. So gingen die ersten Stunden des Mammutrennens eher unspektakulär ins norddeutsche Land. Fahrer, Schrauber und Einsetzer wechselten immer wieder durch. Die Teams organisierten sich relativ gut – man unterstützte sich auch in diesen Funktionen. Somit ging es auf die erste Nacht zu…
Im Vorfeld wurde für die jeweils nächtlichen 12 Stunden (21:00 – 9:00) festgelegt, dass ohne Einsetzer-Posten gefahren werden musste. So sollte ein möglichst effektiver Schlafablauf für jedes Team ermöglicht werden. Soweit an Schlafen überhaupt zu denken war unter diesen Bedingungen. Einige hatten sich Matratzen bzw. Feldbetten in einem benachbarten Raum zurechtgestellt, Andere zogen sich in ihre Wohnmobile/Campervans oder gar ins heimische Bett zurück. Längere Schlafphasen war bei dieser Konstellation nicht möglich. Oft waren es gerade mal 2 oder evtl. bis zu 3 Stunden – spätestens dann war man wieder an der Bahn. Entweder um zu Fahren oder als Mechaniker bzw. auch als Rennleitung zu fungieren. Bedeutete aber auch als Fahrer sollte in dieser Zeit möglichst jeder Fahrfehler mit anschließendem Abflug vermieden werden. Ansonsten hieß es: I’m walking…. und das eigene Fahrzeug wieder zurück in die Spur bringen. Das passierte zum Glück nicht allzu häufig. Die ganze Veranstaltung war ja als öffentliches Event ausgelegt. Die Zuschauerzahlen hielten sich in den Nachtphasen aber äußerst begrenzt. Vereinzelte freiwillige Einsetzer harrten auch zu dieser nächtlichen Stunde an der Bahn aus. Unter anderem auch die unabhängigen Beobachter für das Rekordinstitut für Deutschland (RID) aus Hamburg.

Apropos Bahn – die Bahn ist eine extra für dieses Vorhaben konzipierte 4-spurige Digital-Bahn auf Basis des Carrera-System. Alle Spuren waren gleichgestellt – nur beim Einsetzen sollten bevorzugt die äußeren Spuren genutzt werden. Die Bahnlänge betrug 42,5 m – hatte eine Überfahrt, vier Tankplätze und mehrere Spurwechsel. Die Kurvenradien waren alle ohne den kleinsten Radius (K1) ausgeführt. Das trug natürlich auch zu einem flüssigen Fahren bei. Der Tankverbrauch war bei diesem langen Renneinsatz auf 1% pro Runde eingestellt. Bedeutet alle 100 Runden musste der Fahrer die Box für einen kurzen Stopp anfahren. In den Nachtstunden wurden längere Stints gefahren. Geplant war min. 3 Std. – aber daraus wurden bei manchem Fahrer auch mal 5 Std. Gut das man sich gegenseitig immer motivierte und unterstützt hat. So verging die Zeit sehr angenehm – keiner schaute dauernd auf die Uhr – und die erste Nacht war damit bald geschafft. Ich harrte noch bis zum Frühstück aus, um kurz danach für 3,5 Std. in die verdiente Schlafpause zu verschwinden.
Als Mechaniker war immer genug zu tun, um das zweite Fahrzeug startbereit zu haben und im Fall der Fälle sofort einsetzen zu können. So wurde das Chassis gereinigt, neue Reifen montiert und/oder geschliffen, die Achsen geölt usw… Die PU-Reifen hatten auf der gestrichenen Piste doch einen höheren Abrieb als zuerst angedacht. So musste im weiteren Verlauf der Veranstaltung der Vorrat an schwarzem Gold nochmals aufgestockt werden. Ein Hamburger Händler konnte da mit seiner Lagerware zum Glück aushelfen. Wäre sonst sehr schade, wenn dadurch der Rekord in Gefahr geraten würde….
So verging dann auch der zweite Tag. Die Technik hielt zum grössten Teil sehr gut durch. Hier und da musste mal der Motor gewechselt oder auch mal eine neue Decoderplatine ins Fahrzeug eingebaut werden. Die Karosserien der Rennfahrzeuge mussten über die Distanz einige Kaltverformungen und Brüche hinnehmen. Insgesamt sahen alle Autos zum Teil sehr stark beansprucht aus. Die zweite Nacht wurde wieder so geplant und umgesetzt wie die Erste. Man half sich in den Teams gegenseitig um die Moral möglichst hochzuhalten. Unser Team kämpfte mit einem sehr ausgeleierten Leitkiel. Der AUDI im Eisbär-Design sollte möglichst fehlerfrei, ohne viel zu driften um den Kurs bewegt werden. Zu diesem Zeitpunkt lief das Auto auch sehr schnell – in Bezug auf Reifenabstimmung und Motormanagement.

Die Software zur Zeitnahme ließ leider keine durchgehende 60-Stunden-Messung zu. Es wurden mehrere kürzere Rennzeiten durchgeführt, um dann zu einem großen Endergebnis addiert zu werden. Neben techn. Problemen wurden Konzentration und Schlafentzug zu weiteren Hemmnissen. Nichts desto trotz wurden von allen Teams die Durchschnittsrundenzeiten über 13 Sec. gehalten – und das über die gesamte Distanz und Renndauer von 60 Stunden.
So konnte die inzwischen eingetroffene Rekordrichterin vom RID am Sonntagabend den Weltrekord bestätigen. Bereits um ca. 18:00 Uhr war die vorgegebene Distanz eingefahren. Um 21:00 Uhr waren die 60-Stunden abgelaufen. Großer Jubel aller Teilnehmer und den dann anwesenden Zuschauern. Die Rekordrichterin zertifizierte den neuen Weltrekord für die »weiteste Distanz beim Slotcar-Rennen (60 Std., als Team)« mit 3.965,08 gefahrenen Kilometern. Ein großer Erfolg!
Alle Fahrer, Helfer, Zuschauer, Fans waren überglücklich. Der veranstaltende Slotcar-Club nahm freudestrahlend die Urkunde zum Weltrekord entgegen. Alle Beteiligten erhielten nach einer Bearbeitungszeit ihre jeweils eigene Urkunde nach Hause gesandt….
Es war ein Mega-Event – sehr kräftezehrend, nie langweilig und ich sag jetzt mal….einfach nur großartig !!!!! Ein tolles Gefühl einen solchen Rekord geschafft zu haben. Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte 🙂
Und jetzt ??? Jetzt wird ausgeruht und es sich gutgehen lassen….
